Neue Gigafactory: Wird Porsche bald zum eigenen Batterie-Hersteller?
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Die Batteriezelle ist der Brennraum der Zukunft – diese kommt allerdings zumeist von Zulieferern aus Fernost. Um Unabhängigkeit zu erlangen, arbeiten die Autohersteller mit Hochdruck an eigenen Lösungen, darunter auch der Sportwagenbauer Porsche. Nun werden neue Pläne bekannt, eine Gigafabrik in Nordamerika bauen zu wollen.
Die Entwicklung und Produktion von E-Auto-Akkus ist bisher fest in asiatischer Hand. Industrie und Politik wollen das ändern – und zwar schon lange. So gab Sportwagenhersteller Porsche bereits vor zwei Jahren bekannt, mit dem Joint-Venture-Partner Customcells in die Fertigung von Hochleistungs-Batteriezellen einzusteigen. An den Plänen hat sich inzwischen zwar nichts geändert, an den Rahmenbedingungen hingegen schon. Die bereits vor längerem geplante Batteriefabrik ist aktuell im Bau und wird im Industriegebiet Reutlingen-Nord/Kirchentellinsfurt ab voraussichtlich 2024 ihre Produktion beginnen.
Damals war noch die Rede von einer Kapazität um die 100 MWh pro Jahr, welche nur für etwa 1000 Fahrzeuge gereicht hätte. Viel zu wenig, denn die Anforderungen sind inzwischen stark gestiegen, auch mit Hinblick auf neue geplante Elektromodelle. Zudem seien die Kapazitäten am Standort laut einem Bericht der Automobilwoche auf 1,3 Gigawattstunden begrenzt und würden für weitere Pläne nicht ausreichen.
Die Chemie der in Reutlingen gefertigten Hochleistungszellen setzt auf Silizium als Anoden-Material und bietet viel Potenzial | Bild: Porsche
Hochleistungsbatterien mit Siliziumanoden
Nichtsdestotrotz habe die dort entwickelte Zelle großes Potenzial. Die Chemie setzt auf Silizium als Anoden-Material. Damit sei es möglich, die Energiedichte gegenüber aktuellen Serienbatterien erheblich zu steigern. Die Batterie kann bei gleichem Energieinhalt kompakter ausfallen. Die neue Chemie verringert zudem den Innenwiderstand der Batterie. Dadurch könne diese mehr Energie bei der Rekuperation aufnehmen und sei zugleich beim Schnellladen leistungsfähiger. Eine weitere Besonderheit der Cellforce-Batteriezelle: Sie soll hohe Temperaturen besser vertragen. Dies alles sind vor allem im Motorsport hoch geschätzte Eigenschaften.
Andererseits verlangt die Rennstrecke nicht unbedingt, dass die Batterie auch bei Minusgraden funktioniert und jahrelang über viele Ladezyklen hinweg stabil bleibt – Ziele, die die neue Zelltechnologie ebenfalls gewährleisten soll. „Bis heute kann man die Technik, die den Kern unserer Hochleistungssportwagen ausmacht, nicht zukaufen. Wir entwickeln sie selbst“, sagte damals Porsche-Entwicklungsvorstand Michael Steiner. Daher sei es nur logisch, dass Porsche die Schlüsseltechnologie der Zukunft, die Batteriezelle, selbst entwickelt und baut. Wo genau die Hochleistungszellen aus dem Werk bei Tübingen eingesetzt werden, ist noch nicht offiziell. „Am Rande der Präsentation des neuen Hypercar-Konzepts Mission X war zu hören, dass die Batterie nicht unbedingt aus dem Joint-Venture stamme, aber ‚einen vergleichbaren Hintergrund‘ habe“, so Auto Motor und Sport.
Trotz neuer Pläne in Amerika hält Porsche am Standort Deutschland fest: So soll die Cellforce-Batteriefabrik in Reutlingen nach Fertigstellung aussehen | Bild: Porsche
Europa als Standort neuer Gigafactory zu teuer
Um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden, denkt Porsche laut Automobilwoche nun also über eine neue Gigafactory nach. Bei einer Telefonkonferenz zu den Halbjahreszahlen hätten CEO Oliver Blume und Finanzchef Lutz Meschke die Pläne nun konkretisiert. Inzwischen stünden Kapazitäten für Hochleistungszellen von bis zu 20 GWh im Raum, was für 180.000 bis 200.000 Elektroautos ausreichen würde. Aufgrund dieser gestiegenen Menge wäre zum Beispiel denkbar, dass Porsche die Akkus für den neuen Elektro-Cayman und -Boxster einsetzen möchte. Beide E-Sportler sollen ab 2025 auf unseren Straßen stromern.
Eine eigene Gigafactory in Nordamerika wäre für Porsche ein großer Schritt. Laut Informationen des Branchenmagazins sucht die Porsche-eigene Batteriegesellschaft Cellforce nun Investoren, die sich am Aufbau der neuen Gigafactroy in Amerika beteiligen sollen. Immerhin seien für das neue Werk bereits Kosten von rund zwei bis drei Milliarden Euro eingeplant.
„Eine solche Investition könne nur mit starken Partnern gestemmt werden. Entscheidend für den Standort seien niedrige Energiekosten„, heißt es bei der FAZ. „Wenn der Strompreis um nur einen Cent niedriger sei, bedeute das für die energieintensive Zellproduktion geringere Kosten von 100 Millionen Euro im Jahr“, zitiert die Zeitung Meschkes Rechnung. Fakt ist: Mit seinen hohen Energiepreisen sei Deutschland im Nachteil gegenüber Ländern wie Amerika. Dort locken überdies hohe Fördermittel durch das Subventionsprogramm „Inflation Reduction Act“. Auch VW habe davon schon profitiert.„In Nordamerika sind die Energiekosten deutlich niedriger, auch gibt es weniger Bürokratie, Entscheidungen werden schneller getroffen“, betonte Blume. Neben den USA gilt auch Kanada als aussichtsreicher Kandidat. Man halte weiterhin zu Deutschland und habe mit Cellforce in Baden-Württemberg investiert. „Aber am Ende muss es eine positive Kalkulation sein“, so Meschke weiter im Bericht der Automobilwoche.
„In Nordamerika sind die Energiekosten deutlich niedriger, auch gibt es weniger Bürokratie, Entscheidungen werden schneller getroffen“, so Porsche- und VW-Vorstand Blume | Bild: Porsche
Customcells hat sich aus Joint Venture zurückgezogen
Cellforce ist überdies kein Gemeinschaftsunternehmen mehr. Der Joint-Venture-Partner Customcells hat sich vor kurzem aus dem Unternehmen zurückgezogen. Die Porsche AG hat die Anteile der Customcells Holding GmbH übernommen und ist seit Mitte Mai Alleineigentümer der Cellforce Group. Genannte Gründe sind die Vervielfachung der geplanten Fertigungskapazitäten und die dafür notwendigen Investitionen. Was den Standort Reutlingen angeht, muss dem Porsche laut Manager Magazin noch über eine Milliarde Euro in die Zellfabrik investieren. Die Produktion selbst soll in sehr kleinen Volumina kommendes Frühjahr starten, die Massenfertigung in zwei bis drei Jahren beginnen. Getrennte Wege würden Customcells und Porsche allerdings dennoch nicht gehen. „Über ihren Venture Capital-Arm bleibt die Porsche AG als Gesellschafter bei Customcells engagiert“, werden die Zuffenhausener zitiert.
Porsche will bis Ende des Jahrzehnts mehr als 80 Prozent seiner Fahrzeuge mit vollelektrischem Antrieb ausliefern. Verglichen mit den Verkaufszahlen von 2022, in dem die Zuffenhausener fast 310.000 Fahrzeuge verkauft haben, wären 80 Prozent davon 248.000 Stück – also eine ganze Menge. Das klingt etwas weit hergeholt, da die Produktion des bislang einzigen reinen E-Modells bereits ins Stocken geraten ist. Wegen Lieferkettenproblemen sei die Produktion des Taycan um knapp fünf Prozent auf 17.991 Stück weiter abgesackt, berichtet die FAZ. Da auch bei Porsche die Verbrenner weiterhin das Geld in die Kassen spülen, stieg der Gewinn von Porsche trotzdem um knapp elf Prozent auf 3,9 Milliarden Euro, die Umsatzrendite erreichte knapp 19 Prozent.
Quellen: Automobilwoche – Porsche favorisiert für Gigafabrik Nordamerika / Auto Motor und Sport – Wird Porsche zum Batterie-Zell-Hersteller? / FAZ – Porsche sucht neue Investoren für Zellfabriken
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