Herbert Diess: VW war finanziell zu satt für Wandel
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Im Interview mit Henning Krogh vom Hamburger Redaktionskontor BeHonest sprach der frühere Volkswagen-CEO Herbert Diess offen über den Stellenabbau beim VW Konzern, die wachsende Konkurrenz aus China und verpasste Chancen bei der Verknüpfung von Auto und Energie. Dabei zeigt er sich rückblickend bestätigt in seiner einst stark kritisierten Einschätzung zur Mitarbeiterzahl bei VW und warnt gleichzeitig davor, dass Innovationsimpulse zunehmend von Herstellern wie BYD kommen.
Bereits vor Jahren hatte er sich kritisch zur Mitarbeiterzahl bei VW geäußert – eine Aussage, die damals für Aufsehen sorgte. Heute sieht er seine damalige Einschätzung bestätigt: „Es war damals sicher auch zu früh, das anzusprechen“, räumt Diess ein. Der Konzern habe zu der Zeit über 20 Milliarden Euro pro Jahr verdient, dennoch hält er an seiner grundsätzlichen Haltung fest: „Ich bin immer der Meinung, man soll die Themen früh angehen. Manchmal bin ich da vielleicht ein bisschen zu früh.“
Dass Volkswagen nun gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung Stellen abbaut, sieht er positiv – auch aufgrund der demografischen Entwicklung: „Ich freue mich, dass man sich jetzt geeinigt hat, dieses Thema anzugehen. […] Das ist ein wahnsinnig wichtiger Schritt für uns.“
Herbert Diess über Konkurrenz aus China
Im weiteren Gespräch nimmt Diess Stellung zur wachsenden Konkurrenz aus China – insbesondere zu BYD. Krogh hatte Diess einen BYD Dolphin Surf mitgebracht und diesem die Möglichkeit gegeben sich mit dem Stromer auseinanderzusetzen. Diess zeigt sich durchaus beeindruckt: „BYD muss man schon Respekt zollen.“ Der Konzern habe in den letzten 15 Jahren enorme Summen investiert – „mindestens 15 bis 20 Milliarden“ – und sich damit als ernstzunehmende Marke etabliert. Besonders bei den Kosten punkte BYD mit hoher Wertschöpfungstiefe und eigener Batterietechnologie („Blade-Batterien“), die auch preislich neue Maßstäbe setze.
Gleichzeitig weist Diess auf die Schattenseiten des aggressiven Preiskampfes hin: „Auch BYD wird in China zunehmend kritisch gesehen, weil BYD über diesen Preiskampf natürlich die ganze Industrie unglaublich belastet. […] Auch BYD selber leidet unter dem Preiskampf.“ Die Folge: ein spürbarer Rückgang der Unternehmensbewertung.
Mit Blick auf den europäischen Markt sieht Diess in den kleineren Modellen wie dem Dolphin Surf eine relevante Entwicklung – gerade im urbanen Raum: „So 4-Meter-Autos in der Größe von einem Polo […] wo man auch die Reichweiten nicht so groß braucht.“ Er ist überzeugt, dass Volkswagen hier „etwas dagegen setzen wird – mit typischen Volkswagen-Eigenschaften.“ Damit spielt der ehemalige VW-CEO auf die Einführung des VW ID.1 in den nächsten Jahren an.
Auto und Erneuerbare Energien müssen enger gekoppelt werden
Besonders nachdenklich zeigt sich Diess beim Thema Innovation im Zusammenspiel von Auto und Energie. Er verweist auf ein BYD-Projekt in Großbritannien, bei dem Kund:innen ihr Auto zu einer attraktiven monatlichen Rate leasen – inklusive kostenloser Energie, wenn sie netzdienlich laden. Möglich macht das eine Kooperation mit dem Energieversorger Octopus. Diess dazu: „Das macht mir schon, geht mir schon zu denken, weil die hätte ich mir natürlich eher von den deutschen Herstellern gewünscht.“ Zwar sei Volkswagen in der Theorie weit, aber regulatorische Hürden verhinderten eine solche Umsetzung in Deutschland.
Sein Appell fällt deutlich aus: „Das sollte uns aufwecken. Es wird Zeit, jetzt auch über das Fahrzeug hinaus zu denken, nicht nur beim Einstandspreis.“ Das Potenzial, Elektroautos nahezu kostenlos zu betreiben, müsse auch von deutschen Herstellern aktiv verfolgt werden: „Das ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt.“
Was sich auch dadurch begründen lässt, dass Diess seit seinem Ausscheiden bei Volkswagen als Aufsichtsratsvorsitzender bei The Mobility House tätig ist – einem Unternehmen, das sich auf intelligente Lade- und Energielösungen spezialisiert hat. Dort treibt er genau jene Verzahnung von E-Auto, Stromnetz und innovativen Geschäftsmodellen voran, die er im Gespräch als Chance für die gesamte Branche beschreibt.
Quelle: Henning Krogh – LinkedIn am 03.07.2025
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