
E-Automarkt: Polestar sieht sich als einzige neue Konstante
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Polestar sieht sich im Jahr 2025 an einem entscheidenden Punkt: Die schwedische Elektromarke, bekannt für minimalistisches Design und technologische Klarheit, verzeichnet im ersten Quartal weltweit deutliche Absatzsteigerungen – auch in Deutschland. Gleichzeitig stellt Polestar sein Vertriebsmodell grundlegend um, erweitert das Produktportfolio und richtet sich organisatorisch neu aus. Bei all dem steht das Unternehmen im Spannungsfeld zwischen etablierten Premiumherstellern, aufstrebenden chinesischen Marken und einem zunehmend herausforderndem geopolitischen Umfeld.
Wir haben mit Willem Baudewijns gesprochen, Managing Director von Polestar Germany und Polestar Netherlands. Im Interview gibt er Einblick in die aktuelle Strategie des Unternehmens, erläutert die Potenziale der neuen Modelle Polestar 3 und Polestar 4, und erklärt, weshalb Polestar bewusst einen anderen Weg geht als viele Wettbewerber – mit klarer Haltung, langfristigem Denken und einem besonderen Blick auf die Bedürfnisse des europäischen Marktes.
Polestar | Janus van den Eijnden // Willem Baudewijns, Managing Director von Polestar Germany und Polestar Netherlands im Polestar Store
Polestar über Absatzwachstum und strategische Neuausrichtung
Sebastian Henßler: Herr Baudewijns, Polestar meldet zuletzt steigende Auslieferungen – auch in Deutschland. Spüren Sie, dass sich der Markt endlich in die Richtung bewegt, auf die Sie lange hingearbeitet haben?
Willem Baudewijns: Polestar konnte seinen globalen Absatz im ersten Quartal um 76 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal im Vorjahr steigern. In Deutschland sind wir ebenfalls um 35,5 Prozent gewachsen, wie die offiziellen Zulassungszahlen des Kraftfahrt-Bundesamts zeigen. Und dies trotz eines herausfordernden wirtschaftlichen Umfelds. Das liegt vor allem an der steigenden Nachfrage nach unseren neuen Modellen und der laufenden Umstellung auf ein aktives Vertriebsmodell, die enormes Potenzial für uns birgt. Wir sind klar auf dem richtigen Weg. Die neue globale Strategie zeigt erste Wirkung und darüber freuen wir uns natürlich.
Polestar konnte die weltweiten Auslieferungen im ersten Quartal 2025 steigern – ein Hoffnungsschimmer oder der Beginn einer nachhaltigen Trendwende für das Unternehmen?
Wir haben Anfang des Jahres einige Veränderungen in unserer operativen Ausrichtung angekündigt und sehen dementsprechend nun erste Fortschritte. Mit einem aktiveren Vertriebsmodell, mehr Handelspartnern und attraktiven Fahrzeugen liefern wir positive Ergebnisse. Gleichzeitig beobachten und bewerten wir das volatile geopolitische Umfeld genau und werden uns entsprechend daran anpassen müssen.
Wie realistisch ist es, die eigenen Ziele für 2025 in Deutschland zu erreichen – auch im Hinblick auf ein weiterhin schwieriges wirtschaftliches Umfeld?
In Deutschland haben wir erst kürzlich die Umstellung auf das unechte Agenturmodell umgesetzt. Seit März können unsere Handelspartner nun aktiv verkaufen, statt nur beraten. Das ist eine massive Umstellung und für uns auch ein großes Learning: Die Kundinnen und Kunden schätzen die direkte Nähe, sie wollen einen persönlichen Ansprechpartner vor Ort. Ein Auto ist nicht nur eine kostenintensive Anschaffung, sondern vor allem eine emotionale Entscheidung. Da wollen Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin an die Hand genommen werden. Hier setzen wir bewusst auf die Stärke unserer Händler, wo sie jahrzehntelange Expertise aus dem Volvo-Netzwerk mitbringen. Unser CEO Michael Lohscheller nennt dies gerne die Renaissance der Händler.
Gepaart mit der Ausweitung unserer Standorte in Deutschland bin ich überzeugt davon, dass dies ein großer Hebel sein wird, um weiteres Wachstum zu erzeugen.
Nicht zuletzt hat die Regierung ja gerade auch erst ihren 8-Punkte-Plan zur Förderung der Elektromobilität angekündigt. Auch wenn wir uns seitens der Koalition ein noch deutlicheres Bekenntnis für die Elektromobilität gewünscht hätten, hoffen wir doch, dass die Beschlüsse nun schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden und somit Planungssicherheit für die Industrie als auch für Verbraucherinnen und Verbraucher geschaffen wird.
Wo sehen Sie die größten Hebel für weiteres Wachstum – Produkt, Preis, Präsenz oder Partnerschaften?
Das Produkt muss überzeugen – ohne das geht es nicht. Sie werden langfristig keinen Erfolg haben, wenn das Produkt nicht gut ist. Hier hat Polestar mit dem wachsenden Produktportfolio eine sehr gute Ausgangsbasis. Polestar 2 ist weiterhin eines der besten E-Autos auf dem Markt, das stetig dank OTA-Updates verbessert wird und sich weiterhin hoher Nachfrage erfreut. Erst kürzlich wurde er erneut von Leaseplan als eines der beliebtesten E-Autos für Dienstwagenfahrer gewählt.
Wir sehen jetzt schon, dass Polestar 4 hier stark aufholt. Insbesondere im Bereich der Firmenwagen und -flotten ist unser SUV-Coupé stark nachgefragt, während Polestar 3 im Premiumsegment für diejenigen heraussticht, die etwas Besonderes suchen.
Vom Produkt hängt am Ende ab, ob man sich im Markt durchsetzen kann. Dann müssen natürlich auch Preis und Konditionen stimmen, um wettbewerbsfähig zu sein. Im nächsten Schritt sollte Sichtbarkeit und Präsenz geschaffen werden. Genau in der Phase befinden wir uns gerade.
Markenprofil und Abgrenzung im Premiumsegment
Polestar bewegt sich zwischen Tesla, BMW und BYD – wie differenzieren Sie sich klar genug in einem zunehmend gesättigten Premiumsegment?
Dem würde ich etwas widersprechen. Tesla bewegt sich klar im Massenmarkt, während wir im Premiumsegment agieren. Jedoch ist es richtig, dass wir eine sehr gute Alternative für Tesla-Fahrende bieten. Das macht sich gerade derzeit bemerkbar. Der aktuelle Diskurs um den amerikanischen Wettbewerber zeigt doch eins: Ein Auto galt lange Zeit als Statussymbol, aber ist auch heute noch ein Statement. Mit der Kaufentscheidung identifiziere ich mich mit einer Marke und deren Werten.
Polestar ist in seiner Markenausrichtung sehr klar definiert. Vermutlich sogar klarer als viele andere. Wir stehen für Performance, Design und Nachhaltigkeit. Gerade der Bereich Nachhaltigkeit mag derzeit wieder von vielen vernachlässigt werden, weil er nicht mehr so en vogue scheint. Aber wir halten hieran fest und sehen gerade bei großen Flotten gewinnt das zunehmend an Bedeutung. Wir sind in unserer Positionierung sehr stringent und heben uns somit von den anderen genannten Marken ab.
Polestar 3 und 4 markieren den Einstieg in lukrativere Segmente – aber auch in härteren Wettbewerb. Wie wollen Sie sich dort gegen Porsche, Audi, Mercedes und die neue China-Konkurrenz behaupten?
Auch hier würde ich erneut sagen: Dank überzeugender Produkte und einer starken Marke. Neben den Markenwerten zähle ich hierzu auch, dass wir uns bewusst zwischen den manchmal behäbigen Traditionsunternehmen und den vielleicht hier und da etwas zu progressiven neuen Playern positionieren. Wir sind agil genug, um Dinge schnell umzusetzen und zu adaptieren. Gleichzeitig liefern wir aber auch hohe Qualität, ein hervorragendes Service-Netz, und die nötige Seriosität, um gerade auf dem anspruchsvollen europäischen Markt zu bestehen. Wir profitieren durch den Rückhalt im Konzern mit Geely und Volvo an unserer Seite. Diese Konstellation ist einzigartig derzeit und bietet enorme Vorteile.
In Deutschland wirken Marken wie Nio, Zeekr oder auch smart deutlich aggressiver in der Kommunikation und beim Preis-Leistungs-Verhältnis. Warum gelingt es Polestar aktuell weniger, im öffentlichen Diskurs stattzufinden?
Auch dem würde ich widersprechen. Polestar ist die einzige neue Marke, die sich hierzulande bisher am EV-Markt etablieren konnten.
Polestar mag in Ihren Augen nicht aggressiv genug sein. Aber dies passt auch nicht zu unserer Marke. Wir sind skandinavisch, zurückhaltend, minimalistisch. Wir setzen auf ein gesundes Wachstum, statt aggressiven Preiskampf, der zwar kurzfristig Verkäufe erzeugt, aber langfristig schadet. Wir wollen auch unabhängig vom Preis im öffentlichen Diskurs stattfinden. Zum Beispiel über klare Haltung. Und dies gelingt uns sehr gut. Wir sind erst wenige Jahre im Markt, als reiner E-Auto Hersteller im Premiumsegment, bis vor Kurzem nur mit einem Auto im Handel. Nische in der Nische, wenn sie so wollen. Aber man kennt und spricht über Polestar und wir wachsen. Das soll uns erst einmal jemand nachmachen.
Wie wollen Sie als relativ junge Marke verstärkt Loyalität aufbauen – jenseits von Design und Google-Software?
Unsere Modelle haben weit mehr zu bieten. Hohe Qualität, innovative Technologien, nachhaltige Materialien und ein super Fahrverhalten, und natürlich auch einzigartiges Design und Google an Board, um hier nur einiges zu nennen, auch wenn ich hier noch lange ausschweifen könnte. (lacht)
Genau daher verfügen wir auch über eine extrem starke Loyalität. Beispielsweise wissen wir, dass 25 Prozent der Polestar 4 Käufer zuvor einen Polestar 2 gefahren sind. Wir erkennen dies aber auch an den wachsenden Mitgliedern in unseren Polestar Communities weltweit und dem regen Austausch hier. Die Kundinnen und Kunden identifizieren sich stark mit unserer Marke. Ein Polestar ist etwas Besonderes und dieses Verständnis haben auch unsere Fahrerinnen und Fahrer.
Wir haben von Beginn an, auf Nahbarkeit und Authentizität gesetzt. Als noch junge Marke verfügen wir über schlanke Prozesse und sind so mit unseren Ownern im direkten Kontakt. Wichtigstes Kriterium allerdings: Unsere Mitarbeitenden! Jeder unserer Polestars brennt für die Marke und dies transportieren sie nach Außen. Die Leidenschaft steckt an und gibt unseren Kundinnen und Kunden das Gefühl, Teil von uns zu sein.
Polestar: Zwischen China, Europa und den Vereinigten Staaten
Die USA wollen chinesische E-Autos künftig stärker mit Zöllen belegen. Polestar fertigt in China – wie sehr bedroht das die internationale Wettbewerbsfähigkeit Ihrer Fahrzeuge?
Sie werden verstehen, dass ich mich als Geschäftsführer für den deutschen und niederländischen Markt hierzu nur bedingt äußern kann. Jedoch sind wir ein global agierendes Unternehmen und als solches wissen wir mit sich ändernden Gegebenheiten umzugehen und werden uns entsprechend anpassen. Dies ist für uns nichts Neues. Wir haben bereits frühzeitig damit begonnen unsere Produktion auch auf andere Standorte zu erweitern und produzieren nun auch in South Carolina in den USA und noch dieses Jahr wird auch die Fertigung in Südkorea anlaufen.
Polestar verlagert Produktion aus China nach Südkorea und Europa. Geht es dabei nur um Strafzölle – oder auch um ein schwindendes Vertrauen in die Planbarkeit des chinesischen Markts?
Unabhängig von Zöllen haben wir bereits begonnen, unsere Produktion divers aufzustellen. Wir produzieren, wie Sie erwähnen, neben China, ebenso in den USA, in Kürze beginnt die Produktion in Südkorea und wir haben bereits angekündigt, dass Polestar 7 in Europa gefertigt werden sollen. Hier profitieren wir von unserem sogenannten Asset-Light-Business Modell. Wir nutzen Fertigungskapazitäten im Konzern und müssen nicht erst neue Fabriken errichten, so dass wir schnell auf etwaige Gegebenheiten reagieren können. Ein großer Vorteil.
Wie unser CEO Michael Lohscheller klar gemacht hat: Lokalisierung ist ein zentrales Thema. Das beginnt mit der Produktion aber betrifft auch Teile Zulieferung und Verkürzung der Transportwege allgemein. Die Verschiffung von Fahrzeugen ist längst kein Business Modell mehr.
Und natürlich wollen wir als europäische Marke auch Präsenz in Europa zeigen. Europa ist unser wichtigster Markt. Wir verstehen die Ansprüche der europäischen Kundinnen und Kunden. Da macht es nur Sinn zukünftig auch hier zu produzieren.
Wie beurteilen Sie die Bedeutung des chinesischen Markts heute noch für Polestar – wirtschaftlich und strategisch?
Europa ist unser relevantester Markt. Jedoch agieren wir natürlich weiterhin auf dem chinesischen Markt und bleiben hier auch vertreten.
Wie reagieren Ihre Kunden auf die zunehmende Politisierung des Themas „Herkunftsland“ bei E-Autos?
Wir sind eine schwedische Marke mit Hauptsitz in Göteborg. Unsere Kundinnen und Kunden wissen dies und spüren dies auch, wenn sie einen Polestar fahren. Die Autos sind klar auf den europäischen Markt und den hohen Ansprüchen an Qualität und Fahrverhalten abgestimmt. Das werden wir durch die Verlagerung der Produktion mit Beginn des Polestar 7 noch zusätzlich unterstreichen.
Wie wichtig wird in Zukunft ein echtes Ökosystem rund ums Auto – von Energie bis Software – und wo steht Polestar hier heute?
Das Auto wird zunehmend intelligenter und verknüpft. Dies sollte jedoch den Verbraucherinnen und Verbrauchern dienen und nicht Selbstzweck sein. Ein Nutzen hat das Auto vor allem dann, wenn es neben der Verwendung als Transportmittel Netzdienlich wirkt. Sobald es Energie zurück in das Netz einspeisen kann, leistet ein E-Auto einen aktiven Beitrag zum Netzausgleich und ist somit gravierend für unsere Stromversorgung.
Schon jetzt sind in Polestar 3 und Polestar 4 die entsprechenden Technologien zum bidirektionalen Laden verbaut. Polestar 4 ist technisch Vehicle-to-Load fähig, Polestar 3 unterstützt sogar Vehicle-to-Grid. Hier läuft bereits ein Pilotprojekt in unserem Heimatmarkt Schweden, was zeigt, dass wir die nötigen Vorkehrungen treffen.
Mit Polestar Energy liefern wir zudem die nötige Anbindung, so dass unsere Kundinnen und Kunden auch davon profitieren können. Schon heute, in dem sie auf smarte Energieverträge setzen, zukünftig noch mehr, sobald sie das Auto als Stromspeicher nutzen. E-Auto fahren wird sich dann buchstäblich auszahlen.
Über die Rolle der Politik bei der aktuellen Elektromobilitätsdebatte
Was frustriert Sie aktuell am meisten in der deutschen/ europäischen bzw. globalen Elektromobilitätsdebatte?
Ich vermisse eine klare Linie und Planungssicherheit. Ein eindeutiges Bekenntnis zur E-Mobilität, statt erneute Debatten um CO₂-Werte und Fristen, auf die man sich bereits längst geeinigt hatte. Dies würde langfristig auch die Unternehmen motivieren, zu investieren und Innovationen zu fördern. Wir vergessen bei all den Diskussionen gerade erneut, das eigentliche Problem: Den Klimawandel! Emissionen lassen sich nicht wegdebattieren, wir müssen bereits jetzt handeln, um sie zu reduzieren. Ich würde mir wünschen, dass Europa und insbesondere Deutschland sich auf seine Tugenden besinnt und die Vorreiterrolle einnimmt. Nur so bleiben wir wettbewerbsfähig.
Welches Vorurteil gegenüber Polestar begegnet Ihnen am häufigsten – und was antworten Sie darauf?
Es sind weiterhin Vorurteile gegenüber Elektromobilität im Allgemeinen. Reichweitenangst, Praktikabilität im Alltag, Ladeinfrastruktur. Aber das ist längst alles überholt. Ich kann nur raten, es einfach selbst auszuprobieren. Wer selbst mit dem E-Auto unterwegs war, merkt schnell, wie technologisch überlegen E-Autos gegenüber Verbrennern sind und die Ladeinfrastruktur ebenfalls viel besser als ihr Ruf ist.
Wenn wir in einem Jahr wieder sprechen – woran wollen Sie sich 2025 messen lassen?
Neben den reinen Verkaufszahlen: Inwieweit wir uns auf die gegebenen Veränderungen im Markt eingestellt haben und Herausforderungen meistern, um unseren Marktanteil auszubauen.
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