State of Health: Ein Schreckgespenst verliert sein Schrecken
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Im aktuellen Podcast durfte ich zum dritten Mal mit Michael Dittmar sprechen – einem echten Urgestein der Branche. Seit 40 Jahren ist er im Kfz-Gewerbe aktiv, seit 1991 als selbstständiger Kraftfahrzeugmeister in Bochum. Und was viele nicht wissen: Michael gehört zu denjenigen, die sich früh an das Thema Elektromobilität gewagt haben – schon 2010 begann er sich intensiv damit auseinanderzusetzen, 2013 folgten die ersten regelmäßigen Reparaturen an E-Autos, darunter viele StreetScooter der Deutschen Post. Heute betreibt er mit seinem Team aus 15 Leuten eine Werkstatt, die nicht nur Softwarefehler behebt oder Standardreparaturen erledigt – sondern auch tief in die Hochvolttechnik eintaucht. Seine Erfahrungen und sein Wissen machen ihn zu einem unverzichtbaren Experten, wenn es darum geht, freie Werkstätten für die Zukunft zu rüsten.
Diesmal haben wir uns einem Thema gewidmet, das in der Branche oft mit Skepsis oder sogar Angst betrachtet wird: dem State of Health (SOH), also dem Gesundheitszustand der Batterie im E-Auto. Michael bezeichnet ihn augenzwinkernd als „Schreckgespenst“ – denn die Sorge vieler sei, dass Batterien plötzlich kaputtgehen und horrende Kosten verursachen. „Es gibt irgendwie nur Batterie-Totalschäden in den Köpfen – da ist man schnell bei 20.000 oder 30.000 Euro“, erklärt er. Aber diese Angst ist aus seiner Sicht oft übertrieben. Denn ähnlich wie bei einem Verbrennungsmotor ließe sich auch bei der Batterie anhand verschiedener Werte und Testergebnisse gut einschätzen, wie es um ihren Zustand steht – nur eben mit etwas anderem Werkzeug.
„Wenn man einmal verstanden hat, wie so eine Batterie aufgebaut ist, sind die alle ähnlich. Es ist gar kein Hexenwerk.“ Michael bringt es auf den Punkt: In der Batterie stecken Module, in diesen wiederum Zellen – und wenn eine davon schwächelt, wirkt sich das auf die gesamte Kapazität aus. Genau deshalb sei es so wichtig, den SOH nicht nur als abstrakten Wert zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit Nutzung, Ladeverhalten und Zellspannungen zu analysieren.
Seine Werkstatt nutzt dafür verschiedene Diagnosegeräte – unter anderem den Autel-Tester, der bis auf Zellebene alle Spannungen anzeigt. „Da sehe ich auf einen Blick, welche Zelle die höchste und welche die niedrigste Spannung hat. Wenn der Unterschied zu groß ist, ist das ein erstes Warnsignal.“ Und ja, es gebe Hersteller, die gar keine Ersatzteile für ihre Batterien anbieten – was Michael kritisch sieht: „Wenn ein Hersteller nicht an sein Produkt glaubt, dann sage ich dem Kunden: Finger weg.“
Besonders relevant wird der State of Health beim Kauf eines gebrauchten Elektroautos. Immer mehr Anbieter – vom TÜV bis zu spezialisierten Werkstätten – bieten entsprechende Prüfberichte an. Denn die Kunden verlangen nach Transparenz: „Wenn man auf mobile.de schaut, sind ganz oben nur die Autos gelistet, die einen SOH-Test haben. Ohne verkauft man kaum noch was.“ Gleichzeitig warnt Michael aber auch vor zu großer Gläubigkeit: Jeder Test sei eine Momentaufnahme. Die genaue Bewertung müsse immer im Gesamtkontext stehen – inklusive Ladeverhalten, Kilometerstand, Nutzung und Softwareversion. Sollte man so auch bei etwaigen Vorurteilen gegenüber der E-Mobilität angehen.
Interessant fand ich auch seine Einschätzung zu künftigen Entwicklungen: Bald soll es laut EU-Vorgabe verpflichtend sein, dass das Auto selbst den SOH anzeigt – ähnlich wie beim Smartphone. Das würde nicht nur Vertrauen schaffen, sondern auch rechtliche Klarheit: „Wenn das Auto sagt, die Batterie liegt unter 70 Prozent, dann kann der Hersteller nicht mehr sagen, das stimmt nicht. Das ist dann sein eigener Wert.“
Trotzdem – und das ist die vielleicht wichtigste Botschaft dieses Gesprächs – gibt Michael Entwarnung: Die Zahl der tatsächlich defekten Batterien sei verschwindend gering. „Ich arbeite in einer Werkstatt. Ich lebe davon, dass Dinge kaputtgehen. Und trotzdem sage ich: So oft gehen die gar nicht kaputt.“ Die Panik, die rund um das Thema manchmal verbreitet werde, sei häufig unbegründet – und eher ein Relikt aus der Zeit, als Elektromobilität noch belächelt oder gezielt schlechtgeredet wurde. „Wer mit der Einstellung rangeht, dass sowieso alles kaputtgeht, wird auch genau das erleben. Aber die Realität sieht anders aus.“
Für mich war das Gespräch mit Michael wieder ein echtes Highlight – vor allem, weil es zeigt, wie viel Wissen und Erfahrung in der freien Werkstattwelt steckt und wie wichtig es ist, offen und unaufgeregt über solche Themen zu sprechen. Also: Genug der Vorrede – jetzt rein ins Gespräch.
Gerne kannst du mir Fragen zur E-Mobilität, die dich im Alltag beschäftigen, per Mail zukommen lassen. Die Antwort darauf könnte für andere Hörer des Podcasts ebenfalls von Interesse sein. Wie immer gilt: Über Kritik, Kommentare und Co. freue ich mich natürlich. Also gerne melden, auch für etwaige Themenvorschläge. Und über eine positive Bewertung beim Podcast-Anbieter deiner Wahl freue ich mich natürlich auch sehr! Danke.
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