
Cadillac Lyriq im Test: Gelassen in der Stadt und den Bergen
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Mit dem Cadillac Lyriq 600 E4 hat General Motors seine vollelektrische Oberklasse-Marke offiziell nach Europa gebracht. Ein Elektro-SUV, das nicht nur durch seine imposante Erscheinung, sondern auch durch viel technische Substanz und markentypische Exklusivität auffällt. Der Lyriq knüpft an eine lange Cadillac-Tradition an, Innovationen serienreif zu machen – etwa den elektrischen Anlasser, der einst das Kurbeln überflüssig machte. Heute steht die Ultium-Plattform für den nächsten Technologiesprung.
In unserem mehr als 1500 Kilometer langen Test zwischen Heidelberg, der Rheinebene und den kurvigen Bergstraßen rund um Bozen und Meran konnte das Elektro-SUV in nahezu allen Alltagsszenarien zeigen, was es kann. Ob enge Altstadtgassen, steile Berganstiege oder flotte Autobahnetappen – der Lyriq wusste sich in jedem Terrain zu behaupten. Dabei war nicht nur das komfortorientierte Fahrgefühl bemerkenswert, sondern auch die überzeugende Kraftentfaltung, das geringe Geräuschniveau und die praxisgerechte Effizienz. Wir betrachten das E-SUV nun im Detail.
Technische Daten des Cadillac Lyriq
Leistung: 388 kW (528 PS), Allradantrieb (Dual-Motor)
Drehmoment: 610 Nm
Batterie: ca. 102 kWh netto
Reichweite (WLTP): bis zu 530 km
Verbrauch (WLTP): ca. 22,5 kWh/100 km
Beschleunigung 0 – 100 km/h: 5,3 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Laden AC: 22 kW (dreiphasig)
Laden DC: max. 190 kW (10 – 80 Prozent in ca. 28 Minuten)
Maße (L x B x H): 5005 x 1977 x 1623 mm
Radstand: 3094 mm
Leergewicht: 2700 kg
Kofferraumvolumen: 793 – ca. 1700 Liter
Mit einer Länge von 5005 mm, einer Breite von 1977 mm (ohne Spiegel), einer Höhe von 1623 mm und einem Radstand von 3094 mm gehört der Cadillac Lyriq zu den größeren Vertretern im Segment der vollelektrischen SUVs. Die Proportionen wirken ausgewogen, das Design ist geprägt von klaren Flächen, einem markanten Lichtband am Heck sowie einer auffälligen Frontpartie mit vertikalen Leuchtelementen und einem beleuchteten Markenlogo.
Trotz der angestrebten Reduktion fällt der Stromer auf. Den seine “Ami-Gene”: höher, schneller, breiter kann er nicht verbergen. Von Passanten darauf angesprochen, um welche Marke es sich handelt, ob es ein Prototypen-Fahrzeug sei oder wie man zu einem solchen Gefährt kommt, musste man sich um Gesprächseinstiege keine Sorgen machen. Im Gegenteil. Der 2,7 Tonnen schwere Stromer hat sich schon selbst ins Gespräch gebracht.
Cadillac Lyriq: Erste Eindrücke bei Exterieur und Interieur
Bleiben wir jedoch kurz noch bei den Zahlen, Daten und Fakten des E-SUV. Die Leistung des Dual-Motor-Allradantriebs liegt bei 388 kW (528 PS), das maximale Drehmoment bei 610 Nm. Die technischen Eckdaten ermöglichen eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 5,3 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h. Beide Werte konnten wir auf freigegebenen Autobahn-/ Straßenabschnitten nachvollziehen. Die Kraftentfaltung erfolgt gleichmäßig, spürbar aber ohne abrupte Dynamik.
Im Alltag zeigt sich das SUV fahrstabil, auch auf längeren Etappen oder in kurvigen Passagen. Die Fahrwerksabstimmung ist auf europäische Anforderungen angepasst, bleibt jedoch ohne adaptive Dämpfer. Der Lyriq wirkt weder besonders sportlich noch ausgeprägt weich – die Abstimmung bewegt sich im neutralen Bereich.
Akustisch bleibt der Innenraum selbst bei höheren Geschwindigkeiten oder auf schlechteren Straßenbelägen ruhig. Der serienmäßig aktivierte, künstlich erzeugte Fahrsound ist hörbar, aber zurückhaltend. Eine Deaktivierung ist nicht vorgesehen – zumindest von Seiten des Herstellers. Warntöne beim Kreuzen vom Mittelstreifen in kurvigen Passagen vermisst man vergebens. Stattdessen gibt es die Rückmeldung direkt an Fahrer:in über Vibration in diesem Sitz. Je nach Situation und Gefahrenlage unterschiedlich stark ausgeprägt.
In Verbindung mit dem langen Radstand ergibt sich ein großzügiges Platzangebot, insbesondere auf den hinteren Sitzplätzen. Das Fahrzeug vermittelt ein hohes Maß an Raum, ohne sich im Fahrverhalten zu sperrig zu zeigen. Dennoch erfordert die Fahrzeugbreite in engen Stadtbereichen Aufmerksamkeit – insbesondere in Altstädten oder Parkhäusern. Geholfen hat hierbei neben einer aufmerksamen Beifahrerin das Kamerasystem des Lyriq, welches sich in unterschiedlichste Perspektiven schalten lässt und selbst beim rückwärts zu fahrenden Slalom durch Übersichtlichkeit zu überzeugen weiß – hierbei handelte es sich um eine der Prüfungen der Schenna e.motion, dazu an anderer Stelle mehr.
Interieur ohne visuelle Effekthascherei
Der Innenraum des Cadillac Lyriq orientiert sich am Anspruch eines vollelektrischen Oberklassemodells, verzichtet aber weitgehend auf visuelle Effekthascherei. Im Mittelpunkt steht ein gebogenes, durchgehendes LED-Display mit 33 Zoll Diagonale, das Fahrer- und Zentralanzeige in einer Einheit vereint. Die Darstellung ist klar strukturiert, die Auflösung hoch, die Bedienlogik an Googles Betriebssystem angepasst. Neben Touchbedienung steht ein zentral platzierter Dreh-Drück-Steller zur Verfügung. Beide Eingabemethoden funktionieren im Test weitgehend zuverlässig, auch wenn die Menüstruktur in manchen Unterpunkten nicht immer intuitiv erscheint.
Die Integration von Google Maps, Assistant und Play Store ist vollständig, zusätzlich stehen Android Auto und Apple CarPlay zur Verfügung – bei Android Auto konnten wir dies kabellos verbinden. Ein Head-up-Display fehlt, dafür gibt es eine LED-Warnleiste unterhalb der Windschutzscheibe, die als visuelle Ergänzung für Fahrassistenz und Navigationshinweise dient. Im Zusammenspiel mit dem vibrierenden Fahrersitz bleibt die Aufmerksamkeit gewahrt. Der großzügige Teilabschnitt des 33 Zoll ULED-Display hinter dem Lenkrad trägt den Rest zur entsprechenden Übersichtlichkeit bei.
Eine Einschränkung ergibt sich durch die Bedienung einiger Funktionen ausschließlich über das zentrale Display – etwa beim Öffnen des Handschuhfachs oder der Aktivierung bestimmter Assistenzsysteme. Hier wäre eine Kombination aus digitaler Steuerung und physischen Schaltern funktional oft sinnvoller gewesen.
Das Raumgefühl in der ersten Reihe ist großzügig. Die Sitze sind vielfach elektrisch verstellbar, beheizbar, belüftbar und verfügen über eine Massagefunktion – hier könnte man sich ein wenig mehr Varianz wünschen. Ist aber durchaus jammern auf hohem Niveau. Für Personen, die eine Körpergröße von 1,85 m überschreiten, könnten bei der verlängerbaren Oberschenkelauflage auf Langstrecken allerdings an ihre Grenzen stoßen. Das Lenkrad ist elektrisch einstellbar und analog mit echten Tasten versehen, die gut erreichbar sind. Die Materialauswahl reicht von echtem Leder und Holzapplikationen bis zu punktuell eingesetztem Hartplastik in unteren Türbereichen und der Mittelkonsole. Hier zeigt sich, dass Cadillac versucht, eine Balance aus Premiumanspruch und Serienumsetzbarkeit zu finden.
Im alltäglichen Gebrauch überzeugte der Lyriq mit guter Zugänglichkeit und hoher Sitzposition, die das Ein- und Aussteigen erleichtert. Die elektrisch ausfahrbaren Türgriffe sind funktional, erfordern aber eine kurze Eingewöhnung, da sie sich – anders als bei den meisten Marktbegleitern– nach vorne hin öffnen. In engen Parklücken oder bei steilen Bordsteinen zeigte sich die Fahrzeugbreite (inkl. Spiegeln über 2,20 m) gelegentlich als Herausforderung.
In der Mittelkonsole befinden sich zwei Cupholder, ein induktives Smartphone-Ladepad sowie mehrere USB-C- und 12-Volt-Anschlüsse. Unterhalb der Armauflage steht zusätzlicher Stauraum zur Verfügung. Das Handschuhfach lässt sich nur über das zentrale Display öffnen – funktional, aber wenig praktikabel.
Im Fond bietet der Lyriq ebenfalls viel Platz. Die Rückbank ist leicht erhöht, der Fahrzeugboden durchgängig flach. Dadurch ergibt sich trotz der hohen Karosserie eine angenehme Sitzposition – auch für groß gewachsene Mitreisende. Eine Sitzheizung für die äußeren Plätze, eigene Klimasteuerung, mehrere USB-C-Anschlüsse sowie eine 230-Volt-Steckdose gehören zur Ausstattung. Die Rückenlehnen lassen sich elektrisch vom Kofferraum aus umlegen, eine Durchreiche gibt es nicht.
Raumgefühl und Stauraum auch für längere Reisen
Das Panoramaglasdach vergrößert das Raumgefühl zusätzlich, ist aber nicht zu öffnen. Eine elektrisch bedienbare Jalousie sorgt auf Wunsch für Sonnenschutz. Das optionale AKG-Audiosystem mit 19 Lautsprechern, darunter Lautsprecher in den Kopfstützen, bietet ein ausgewogenes Klangbild. Die adaptive Lautstärkeregelung passt sich automatisch dem Tempo und der Umgebungslautstärke an. Der Gesamteindruck: Ein großzügiger, gut verarbeiteter Innenraum mit hoher Geräuschisolation, sinnvoller Ausstattung und solider Haptik – ohne sich gestalterisch oder funktional allzu weit vom Segmentstandard abzusetzen.
Mit einem Kofferraumvolumen von 793 Litern bei aufgestellter Rückbank und bis zu rund 1700 Litern bei umgeklappten Lehnen bietet der Cadillac Lyriq viel Platz für Gepäck, Einkäufe oder Reisegepäck. Die Heckklappe öffnet und schließt elektrisch, die Entriegelung ist dezent über das Markenlogo integriert – ein gestalterisches Detail, das funktional gut gelöst ist. Die Rücksitze lassen sich bequem per Knopfdruck vom Laderaum aus umklappen. Die entstehende Ladefläche ist nahezu eben, was das Verstauen größerer Gegenstände erleichtert.
Eine Durchreiche oder ein klappbarer Mittelteil der Rücksitzlehne fehlt. Wer Skier oder andere lange Gegenstände transportieren möchte, muss die Rückbank vollständig umlegen. Ein Frunk – also ein zusätzlicher Stauraum unter der Fronthaube – ist beim Lyriq ebenfalls nicht vorhanden. Positiv fällt das unter dem Ladeboden befindliche Staufach auf, das ausreichend Platz für das Ladekabel, kleinere Taschen oder Zubehör bietet. Auch die herausnehmbare Abdeckung (Hutablage) lässt sich in einem dafür vorgesehenen Fach im Ladeboden verstauen.
Reichweite, Laden und Alltagstauglichkeit des Cadillac Lyriq
Der Cadillac Lyriq 600 E4 ist mit einem 102 kWh großen Lithium-Ionen-Akku ausgestattet (netto), der laut WLTP-Zyklus eine Reichweite von bis zu 530 Kilometern ermöglichen soll. In der Praxis hängt die tatsächliche Reichweite stark vom Fahrprofil, der Topografie und dem Einsatz der Klimatisierung ab – wie bei jedem Elektroauto.
Während des rund 1500 Kilometer langen Testzeitraums bewegte sich der Verbrauch im realistischen Bereich zwischen 18,9 kWh/100 km auf flachen Autobahnabschnitten bei moderater Geschwindigkeit und rund 23,4 kWh/100 km in bergigen Passagen mit zahlreichen Kurven, Steigungen und Abfahrten. Im Mischbetrieb – bestehend aus Stadtverkehr, Landstraße und Autobahn – pendelte sich der Durchschnittsverbrauch bei etwa 20,5 kWh/100 km ein. Das entspricht einer praxisnahen Reichweite um die 450 Kilometer, bei bewusster Fahrweise auch mehr. Durchaus akzeptabel.
Das Ladeverhalten des Lyriq ist auf Alltagstauglichkeit ausgelegt. AC-seitig kann das SUV serienmäßig mit bis zu 22 kW dreiphasig laden. Damit lässt sich der Akku in gut fünf Stunden vollständig aufladen – vorausgesetzt, es steht eine entsprechende Wallbox oder ein öffentlicher Ladepunkt. Diese Ladeleistung ist im Segment noch nicht Standard und im Alltag spürbar hilfreich, insbesondere für Fahrer:innen, die Zugang zu dieser Ladeleistung zu Hause, im öffentlichen Bereich oder im Unternehmen haben.
DC-seitig sind laut Hersteller Ladeleistungen von bis zu 190 kW möglich. In der Praxis konnten während des Tests an verschiedenen Schnellladestationen Ladeleistungen zwischen 160 und knapp 190 kW beobachtet werden – abhängig vom Ladestand, der Umgebungstemperatur und der Säulenqualität. Cadillac selbst gibt an, dass unter optimalen Bedingungen in 15 Minuten bis zu 200 Kilometer Reichweite nachgeladen werden kann. Im Alltag war dieser Wert erreichbar, sofern der Akku vorkonditioniert und die Säule leistungsfähig war. Eine manuelle Vorkonditionierung ist über das Menü möglich und funktioniert zuverlässig. Allerdings gab es auch Zeiten, in denen es nicht so gut funktioniert hat. Dann waren auch mal 36 Minuten von 20 auf 85 Prozent notwendig.
Der Ladevorgang selbst gestaltet sich unkompliziert. Der Ladeanschluss befindet sich vorne links an der Fahrerseite und öffnet sich elektrisch per Tastendruck (reagiert je nach Druckpunkt mal mehr, mal weniger gut) oder über das zentrale Display. Die Anzeige im Fahrzeug gibt Rückmeldung über den aktuellen Ladezustand, die geschätzte Restzeit sowie die aktuelle Ladeleistung. Eine Ladehistorie oder detaillierte Analysefunktionen wie sie manche europäische Hersteller bieten, sind nicht vorhanden.
Realität (EnBW) und Lyriqs Interpretation (internes Google Maps) treffen bei Ladeleistung aufeinander
Die Ladeplanung über Google Maps ist grundsätzlich integriert. Das System schlägt Ladepunkte entlang der Route vor und zeigt HPC-Stationen in der Umgebung an. Eine Filterfunktion nach Mindestleistung oder Anbietern ist verfügbar, allerdings fehlt eine gezielte „Entlang der Route“-Filterung, wie sie etwa Tesla oder Polestar bieten. Dennoch funktionierte die Ladeplanung im Test stabil und reibungslos, auch auf längeren Strecken durch Süddeutschland und Norditalien. Vehicle-to-Load-Funktionalität bietet der Lyriq nicht. Eine 230-Volt-Steckdose im Innenraum ist vorhanden, die maximale Leistung ist jedoch begrenzt und primär für das Laden kleinerer Geräte wie Laptops oder Kameras gedacht.
Fahren im Alltag: Leistung, Komfort und Kontrolle
Der Cadillac Lyriq 600 E4 ist ein über fünf Meter langes SUV mit einem Leergewicht von 2700 kg. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an Antrieb, Lenkung und Fahrwerksabstimmung – besonders auf kurvigen Strecken oder im innerstädtischen Bereich. Im Test zeigte sich das E-Auto dabei ausgewogen und besser kontrollierbar, als es die Maße vermuten lassen.
Im Stadtverkehr – etwa in Heidelberg oder Meran – macht sich vor allem der Wendekreis von rund 12,1 Metern bemerkbar. Er liegt im klassenüblichen Bereich, erschwert in engen Altstadtgassen oder Parkhäusern aber gelegentlich das Rangieren. Vor allem in direkter Kombination mit knapp 2,2 Meter Breite, bei ausgeklappten Spiegeln. Die Sicht nach außen ist dank der hohen Sitzposition gut, der digitale Rückspiegel hilft beim Überblick nach hinten, benötigt aber etwas Eingewöhnung. Die Beschleunigung erfolgt ruckfrei, das Ansprechverhalten des Fahrpedals lässt sich über den Fahrmodus feinjustieren. In der Stadt erwies sich vor allem der „Tour“-Modus als sinnvoll – mit weicher Gasannahme und entspannter Rekuperation.
Auf Landstraßen, insbesondere auf den Höhenzügen Südtirols, konnte der Lyriq seine Traktion und Antriebsauslegung gut ausspielen. Die Leistung von 388 kW (528 PS) steht unmittelbar zur Verfügung, das maximale Drehmoment von 610 Nm sorgt für zügigen Vortrieb – auch bei starken Steigungen. Trotz fehlendem adaptiven Fahrwerk bleibt das SUV auch in schnell gefahrenen Kurven stabil. Die straffe, aber nicht harte Abstimmung passt gut zu europäischen Straßenverhältnissen. Kurze Bodenwellen oder Querfugen werden nicht vollständig herausgefiltert, störten im Test aber nicht merklich.
Die Lenkung ist elektrisch unterstützt und ausreichend direkt ausgelegt. Der Wechsel zwischen den Fahrmodi („Tour“, „Sport“, „Snow/Ice“ sowie „My Mode“) beeinflusst Lenkgefühl, Gaspedalansprache und Rekuperation. Der „Sport“-Modus sorgt für ein direkteres Setup, das sich besonders in bergigen Regionen als hilfreich erwies. Bei längeren Abfahrten lieferte die Rekuperation in Verbindung mit dem optionalen Paddel am Lenkrad ein gutes Maß an Kontrolle, ohne dass ständig gebremst werden musste. Im Gegenteil, man hat das Gefühl, ein sich komplett selbst aufladendes E-Auto zu fahren. Reichweitengewinne von über zehn bis fünfzehn Prozent beim Berg abfahren waren nicht die Seltenheit. Berg hoch schwindet die Reichweite natürlich auch entsprechend.
Auf der Autobahn bleibt der Lyriq ruhig und spurtreu. Auch bei hohen Geschwindigkeiten – testweise bis zur angegebenen Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h – wirkt das SUV stabil. Das Geräuschniveau ist gering, Wind- und Abrollgeräusche sind kaum wahrnehmbar. Langstreckenfahrten gelingen dadurch entspannt, wobei das straffe Fahrwerk auf Betonplatten oder bei Brückenübergängen leichte Vertikalbewegungen nicht vollständig dämpfen kann.
Die Fahrassistenzsysteme funktionierten im Test weitgehend zuverlässig. Die Müdigkeitserkennung arbeitete präzise, sorgte aber in langen Kurven durch eine verdeckte Sensorposition im Lenkrad gelegentlich für Fehlalarme. Die Warnung erfolgt in Form einer Vibration des Sitzes – eine Eigenheit, die nicht jeder Fahrerin oder jedem Fahrer zusagen dürfte, mich aber durchaus überzeugt hat.
Ferner fällt auf, dass der Lyriq keine aktive Spurzentrierung bietet. Zwar warnt das System beim Verlassen der Spur, ein permanenter Lenkeingriff zur Spurhaltung findet jedoch nicht statt. Das schränkt den Langstreckenkomfort ein – insbesondere im Vergleich zu Marktbegleitern, die in dieser Klasse serienmäßig mit umfassenderen Assistenzsystemen ausgestattet sind. Auch ein Head-up-Display fehlt. Cadillac ersetzt es durch eine LED-Leiste unter der Windschutzscheibe, die visuelle Hinweise gibt – eine funktionale, aber weniger informationsdichte Lösung. SuperCruise, das in den USA bereits verfügbar ist, steht in Europa derzeit nicht zur Verfügung. Damit bleibt das Assistenzpaket insgesamt solide, aber hinter dem technischen Potenzial zurück, das Cadillac an anderer Stelle bereits demonstriert.
Fazit zum Cadillac Lyriq: Zwischen Anspruch und Realität
Mit dem Lyriq 600 E4 bringt Cadillac ein technisch modernes Elektro-SUV nach Europa, das sich in vielen Bereichen souverän präsentiert. Das E-Auto punktet mit einem großzügigen Platzangebot, einer durchdachten Serienausstattung und praxisnahen Ladeleistungen. Besonders die Kombination aus hoher AC-Ladeleistung, stabilem DC-Ladeverhalten und effizientem Energieeinsatz – im Zusammenspiel mit seiner Größe und Gewicht – im Alltag hebt den Lyriq von manchem Marktbegleiter ab. Auch beim Raumgefühl, der Materialauswahl und dem Geräuschniveau erfüllt das SUV den Anspruch an ein Fahrzeug der oberen Mittelklasse.
Fahrer:innen können zwischen zwei Varianten wählen: der Luxury AWD und der Sport AWD, beide ab 81.000 Euro. Die Unterschiede liegen vor allem im optischen Auftritt: Während die Luxury-Version auf Chromakzente setzt, zeichnet sich die Sport-Variante durch dunkle Designelemente aus – darunter ein schwarzer Kühlergrill, dunkle Felgen und abgedunkelte Leisten. Für unseren Test stand uns die Sport-Version zur Verfügung, kombiniert mit der aufpreispflichtigen Lackierung „Crystal White Tricoat“, die mit 1950 Euro zu Buche schlägt. Ferner sind nur wenige weitere Optionen kostenpflichtig – der Lyriq ist nahezu vollausgestattet.
Auf der Straße zeigt sich der Lyriq fahrstabil und kraftvoll, ohne seine Masse zu verleugnen. Die Fahrwerksabstimmung ist solide, aber nicht variabel, und bleibt damit in ihrer Wirkung begrenzt. In engen Umgebungen verlangt das Format Aufmerksamkeit, wird aber durch gute Kamerasysteme und eine hohe Sitzposition ausgeglichen. Die Fahrassistenzsysteme funktionieren zuverlässig, bieten aber nicht den Funktionsumfang, den einige europäische Hersteller in dieser Klasse inzwischen serienmäßig liefern. Insbesondere der Verzicht auf eine aktive Spurzentrierung und ein Head-up-Display fällt auf.
Schwächen zeigt der Lyriq in Detailfragen: Die Bedienung über das zentrale Display ist an manchen Stellen umständlich, physische Alternativen fehlen. Ebenso fehlt ein Frunk, eine Durchreiche im Fond oder eine V2L-Funktion. Die Ladeplanung über Google Maps funktioniert grundsätzlich, bleibt aber in ihren Filtermöglichkeiten eingeschränkt. Trotz dieser Punkte hinterlässt der Cadillac Lyriq im Test einen stimmigen Gesamteindruck – besonders für potenzielle Käufer:innen, die Wert auf ein geräumiges, komfortables und optisch auffälliges Elektroauto legen, ohne maximale Dynamik oder Innovationsdichte zu erwarten.
Disclaimer: Der Cadillac Lyriq wurde uns für diesen Testbericht kostenfrei für den Zeitraum von zwei Wochen von Cadillac zur Verfügung gestellt. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.
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