
Polestar 3 im Test: Viel Technik, nicht ohne Schwächen
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750 Kilometer rund um Heidelberg – darunter zahlreiche Strecken im Stadtgebiet, kurvige Abschnitte im Odenwald und ausgedehnte Fahrten auf der A5 und A6. Der Polestar 3 Long Range Dual Motor mit Pilot- und Plus-Paket wurde bewusst unter realitätsnahen Bedingungen gefahren, um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten.
Der Testzeitraum umfasste dabei unterschiedliche Wetterlagen, Tempobereiche und Verkehrssituationen – vom Berufsverkehr in der Innenstadt bis hin zu längeren Autobahnetappen. Ziel war es, nicht nur einzelne Aspekte isoliert zu betrachten, sondern ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie sich das E-SUV im Alltag tatsächlich schlägt. Neben dem Fahrverhalten standen daher auch der Langstreckenkomfort, die Ladeperformance, die Bedienlogik im Innenraum sowie das Zusammenspiel von Software, Assistenzsystemen und Raumkonzept im Fokus.
Am Ende bleibt ein gemischtes Bild: Der Polestar 3 ist technisch auf einem soliden Niveau, wirkt gestalterisch eigenständig und bietet in vielen Bereichen ein durchdachtes Konzept – zeigt aber auch klare Schwächen bei Details, die im Alltag nicht zu übersehen sind.
Technische Daten des Polestar 3 Long Range Dual Motor
Leistung: 360 (489 PS), Allradantrieb (Dual-Motor)
Drehmoment: 840 Nm
Batterie: ca. 107 kWh netto
Reichweite (WLTP): bis zu 629 km
Verbrauch (WLTP): ca. 19,8 kWh/100 km
Beschleunigung 0 – 100 km/h: 5,0 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Laden AC: 11 kW (dreiphasig)
Laden DC: max. 250 kW (10 – 80 Prozent in ca. 32 Minuten)
Maße (L x B x H): 4900 x 2120 x 1614 mm
Radstand: 2985 mm
Leergewicht: 2660 kg
Kofferraumvolumen: 484 – ca. 1411 Liter
Polestar 3 im Test: Alltag, Autobahn, Detailkritik – im Bewegtbild
Polestar 3: Eigenständiger Charakter mit Volvo-Wurzeln
Das Design hebt sich klar vom bisherigen Volvo-Stil ab – ein Vergleich, der sich nicht nur wegen der technischen Nähe der beiden Marken aufdrängt. Polestar war ursprünglich als Performance-Ableger von Volvo positioniert, nutzt teilweise die gleiche Plattformarchitektur und wird nach wie vor als Schwesterunternehmen innerhalb des Geely-Konzerns geführt.
Wer etwa den XC90 oder EX90 kennt, erkennt die technischen Parallelen – doch gestalterisch geht der Polestar 3 bewusst auf Distanz. Die Linienführung ist flacher, die Proportionen straffer und der Auftritt insgesamt reduzierter. Mit knapp fünf Metern Länge, über zwei Metern Breite und einer Höhe von nur 1,61 Metern wirkt das Auto deutlich dynamischer als ein klassisches SUV-Flaggschiff aus dem Hause Volvo.
Statt vertikalem Kühlergrill und markanter Scheinwerfer setzt Polestar auf technische Elemente wie die sichtbare „Smart Zone“ an der Front, bündige Türgriffe und einen stark nach unten gezogenen Heckabschluss. Auch der weitgehend ornamentfreie Einsatz von Lichtdesign und die glatten Übergänge zwischen den Flächen betonen eine andere Form von Modernität – weniger skandinavisch wohnlich, dafür technischer und puristischer. Der Auftritt bleibt sachlich, beinahe nüchtern, ohne ins Spektakuläre abzurutschen – was nicht allen gefallen muss, aber die gestalterische Eigenständigkeit der Marke unterstreicht.
Innenraum: Reduktion mit funktionalen Grenzen
Im Innenraum setzt sich der reduzierte Gestaltungsansatz fort. Das Cockpit verzichtet weitgehend auf klassische Schalter oder Drehregler, fast alle Funktionen werden über das zentrale, hochformatige 14,5-Zoll-Touchdisplay gesteuert. Dadurch entsteht ein aufgeräumter Eindruck, der formal überzeugt, in der praktischen Anwendung jedoch Kompromisse erfordert. Selbst grundlegende Funktionen wie die Lenkradverstellung oder das Öffnen des Handschuhfachs sind nicht physisch bedienbar, sondern in Untermenüs versteckt. Für Routinen im Alltag – etwa das Nachregulieren der Lüftung während der Fahrt – bedeutet das, den Blick kurzzeitig von der Straße abzuwenden.
Die Google-Integration ist funktional gut gelöst: Spracheingaben wurden im Test zuverlässig erkannt, die Navigation mit Google Maps zeigte sich präzise und praxisnah. Dennoch bleibt der Eindruck, dass hier nicht jede Funktion mit Blick auf einfache Bedienbarkeit umgesetzt wurde.
Das Platzangebot auf den Vordersitzen fällt großzügig aus. Die Sitze bieten guten Seitenhalt, lassen sich elektrisch justieren und sind – je nach Ausstattung – auch belüftet und beheizt. Die Materialien wirken hochwertig, die Sitzflächen ausreichend dimensioniert. Auffällig: Die Kopfstützen lassen sich nicht in der Höhe verstellen und waren auf langen Strecken zu hart gepolstert. Im Fond bietet der Polestar 3 viel Beinfreiheit, einen angenehm flachen Fahrzeugboden und eine eigenständige Klimazone mit Touchbedienung.
Auch Passagiere mit über 1,84 Metern Körpergröße finden hier ausreichend Platz. USB-C-Anschlüsse, Sitzheizung und eine breite Mittelarmlehne mit ausklappbaren Becherhaltern runden das Angebot ab. Das optionale Panoramaglasdach verstärkt den luftigen Eindruck, lässt sich aber nicht abdunkeln – bei starker Sonneneinstrahlung kann das störend wirken, zumal kein manuelles Rollo vorhanden ist.
Platzangebot: Viel Raum für Passagiere, weniger für Gepäck
Beim Laderaum bleibt der Polestar 3 hinter dem Anspruch eines vollwertigen Familien-SUV zurück. 484 Liter Ladevolumen sind für diese Fahrzeugklasse eher Durchschnitt, zumal die Rückbank nur manuell umgelegt werden kann und keine Fernentriegelung aus dem Kofferraum vorhanden ist. Immerhin: Ein zusätzlicher Stauraum im Frunk bietet 32 Liter, und ein doppelter Ladeboden schafft etwas Ordnung im Hauptfach.
Positiv fällt auf, dass sich das Heck über das Luftfahrwerk absenken lässt – ein praktisches Detail beim Beladen mit schweren oder unhandlichen Gegenständen. Für Transportzwecke ist auch die elektrisch ein- und ausfahrbare Anhängerkupplung relevant, die bis zu 2,2 Tonnen Zuglast erlaubt. Wer regelmäßig viel Gepäck transportiert, wird sich dennoch mehr Variabilität und Volumen wünschen – hier setzt Polestar klar andere Prioritäten.
Auch bei den Fahrerassistenzsystemen blieb der Eindruck differenziert, aber insgesamt positiv. Spurhalteassistent, adaptiver Tempomat und Pilot Assist arbeiteten im Testzeitraum zuverlässig – sowohl im dichten Stadtverkehr als auch bei konstanter Fahrt auf der Autobahn. Die Fahrspur wurde auch bei leichtem Regen oder durchgezogenen Baustellenlinien korrekt erkannt. Spurwechsel auf der Autobahn erfolgen automatisch, sofern der Fahrer den entsprechenden Lenkimpuls setzt – hier ist jedoch eine gewisse Deutlichkeit notwendig. Wird der Impuls zu vorsichtig gesetzt oder unterbrochen, bricht das System den Vorgang ab.
In der Praxis bedeutete das gelegentlich ein zweiter Anlauf oder die manuelle Übernahme. Die Navigationssoftware auf Google-Basis überzeugte durch präzise Routenführung, realistische Reichweitenprognosen und die zuverlässige Integration von Ladepunkten entlang der Strecke. Auch dynamische Verkehrsinformationen wurden stimmig in die Routenführung integriert, ohne dass es zu abrupten Neuberechnungen kam. Auf eine explizite Routenplanung mit bevorzugten Ladeanbietern oder Ladetarifen verzichtet Polestar derzeit – das System bleibt hier funktional, aber nicht tief individualisierbar.
Polestar 3 – Fahreindruck: Gut abgestimmt, aber spürbar schwer
Auf der Straße zeigt sich der Polestar 3 insgesamt als gut abgestimmtes Fahrzeug. Die Lenkung vermittelt ausreichend Rückmeldung und arbeitet präzise, ohne zu nervös zu wirken. Gerade bei höheren Geschwindigkeiten oder längeren Autobahnfahrten bleibt das Fahrzeug stabil in der Spur. Die Abstimmung des Luftfahrwerks lässt sich in drei Stufen regulieren.
Im Standard-Modus ergibt sich ein ausgewogener Kompromiss zwischen Komfort und Kontrolle, der für die meisten Alltagssituationen gut passt. Im Modus „Fest“ nimmt die Karosseriebewegung spürbar ab, gleichzeitig werden Unebenheiten wie Querrillen oder Flickstellen auf älteren Autobahnabschnitten deutlicher an die Insassen weitergegeben. Auf schlechten Belägen oder längeren Etappen kann das je nach Empfindlichkeit ermüdend wirken. Die weichere Einstellung eignet sich besser für Stadt- und Landstraßenbetrieb, insbesondere bei gemischtem Beladungszustand oder empfindlicheren Mitfahrenden.
Im Stadtverkehr punktet der E-SUV mit guter Übersichtlichkeit und funktionaler Kameratechnik. Die Einparkhilfe reagierte im Test schnell und präzise, die 360-Grad-Ansicht erleichtert das Rangieren in engen Parklücken. Der Wendekreis fällt mit rund 11,8 Metern klassenüblich aus – kein Highlight, aber auch kein Nachteil. Trotz der Fahrzeuggröße ließ sich der Polestar 3 auch in engen Bereichen zuverlässig manövrieren.
Der elektrische Antrieb liefert eine maximale Leistung von 360 kW (489 PS) und ein Drehmoment von 840 Nm. Die Beschleunigung auf 100 km/h erfolgt laut Hersteller in 5,0 Sekunden. Die Kraftentfaltung erfolgt linear und ohne spürbares Loch – bleibt aber gut dosierbar. Selbst auf regennasser Fahrbahn zeigte der Allradantrieb eine stabile Traktion, auch beim Anfahren aus dem Stand oder bei zügigem Spurwechsel.
Die beiden Fahrmodi „Range“ und „Performance“ unterscheiden sich deutlich. Im Range-Modus wird der hintere Motor teilweise entkoppelt, was den Energieverbrauch senken soll, während im Performance-Modus beide Motoren permanent aktiv sind und das Fahrwerk etwas direkter anspricht. Auch das Torque Vectoring, das die Antriebskraft gezielt zwischen den Hinterrädern verteilt, war in kurvigem Terrain spürbar – ohne dabei aufdringlich zu wirken. Gleichwohl bleibt stets spürbar, dass hier ein Fahrzeug mit über 2,6 Tonnen Eigengewicht bewegt wird. Das hohe Leergewicht wirkt sich insbesondere bei stärkerem Bremsen oder schnellen Lastwechseln bemerkbar aus.
Rekuperation und Verbrauch: Effizient, aber nicht auf jedem Niveau
Die Rekuperation lässt sich in drei Stufen einstellen, allerdings nicht über einen separaten Schalter, sondern ausschließlich über das Infotainment-Menü. Für häufige Wechsel zwischen den Stufen – etwa bei wechselndem Streckenprofil – ist diese Lösung nur bedingt praktisch. Im Alltagsbetrieb funktionierte das One-Pedal-Driving in der höchsten Rekuperationsstufe zuverlässig. Gerade im dichten Stadtverkehr ließ sich der Polestar 3 damit weitgehend ohne aktives Bremspedal bewegen. Die adaptive Rekuperation, die sich an das Verhalten vorausfahrender Fahrzeuge anpasst, arbeitete ebenfalls stimmig – insbesondere bei gleichmäßigem Verkehrsfluss.
Der durchschnittliche Energieverbrauch lag während des Testzeitraums bei rund 22 kWh pro 100 Kilometer. Bei zurückhaltender Fahrweise in Stadt- und Landverkehr waren Werte unter 20 kWh erreichbar, während bei höheren Autobahngeschwindigkeiten oder häufigem Beschleunigen Werte von über 25 kWh auftraten. Daraus ergibt sich eine praxisnahe Reichweite von um die 500 Kilometer – deutlich unter dem offiziellen WLTP-Wert von bis zu 629 Kilometer, aber im Vergleich zur Fahrzeuggröße und -leistung realistisch.
Ladeleistung: Schnell, aber nicht kompromisslos
Der 111-kWh-Akku unterstützt Schnellladen mit bis zu 250 kW. In der Praxis wurden Ladeleistungen zwischen 170 und 200 kW erreicht, abhängig von Akkutemperatur und Säulenleistung. Der Ladevorgang von 10 auf 80 Prozent dauerte rund 30 Minuten. An Wechselstrom sind bis zu 11 kW möglich, was für eine Vollladung an der heimischen Wallbox rund 11 Stunden 30 Minuten bedeutet. Ein optionales Upgrade auf 22 kW hätten wir hier gerne gesehen. Die Ladeplanung im System funktionierte im Test zuverlässig und wählte bei aktivem Navigationsziel sinnvolle HPC-Standorte entlang der Route.
Der getestete Polestar 3 war mit dem Long Range Dual Motor-Antrieb sowie den Ausstattungspaketen „Pilot“ und „Plus“ ausgestattet. Hinzu kamen mehrere Einzeloptionen, darunter Sichtschutzglas für die hinteren Fenster, eine vollelektrische Anhängerkupplung, 1,3-Megapixel-HD-LED-Scheinwerfer und ein AC-Ladekabel. Als Außenfarbe wurde „Snow“ gewählt, kombiniert mit einem biobasierten Charcoal MicroTech-Innenraum und Dekorelementen aus Aluminium. Der Fahrzeuggrundpreis lag bei 85.590 Euro, die aufpreispflichtige Sonderausstattung summierte sich auf 14.900 Euro. Einschließlich Überführungskosten und nach Abzug des Polestar Umweltbonus ergab sich ein Gesamtpreis von 97.790 Euro brutto.
Fazit zum Polestar 3 – Eigenständiger Entwurf mit Licht und Schatten
Der Polestar 3 präsentiert sich als technisch solides, gestalterisch eigenständiges Elektro-SUV, das sich im Alltag vielseitig einsetzen lässt. Die Kombination aus kraftvollem Antrieb, ausgewogener Fahrwerksabstimmung und durchdachter Assistenztechnik überzeugt auf langen Strecken ebenso wie im Stadtverkehr. Das Bedienkonzept rund um Android Automotive und Google Maps ist funktional, verlangt aber Eingewöhnung – insbesondere, weil viele Grundfunktionen ausschließlich über den Touchscreen gesteuert werden können.
Kritisch zu sehen sind Details wie die eingeschränkte Variabilität beim Ladevolumen, die fehlende Kopfhöhenverstellung der Vordersitze oder die etwas zu tief im Systemmenü versteckten Rekuperationsstufen. Auch die Ladeleistung ist zwar konkurrenzfähig, ein optionales 22-kW-AC-Ladegerät wäre für diese Fahrzeugklasse jedoch wünschenswert. Das hohe Gewicht macht sich bei dynamischer Fahrweise bemerkbar, bleibt im Alltag aber beherrschbar.
Unterm Strich liefert der Polestar 3 einen eigenständigen Gegenentwurf zu klassischen Premium-SUVs – mit stimmiger Designsprache, viel Platz für Passagiere und einem funktionalen, wenn auch nicht in allen Punkten intuitiven Nutzererlebnis. Wer Wert auf Fahrkomfort, technische Klarheit und ein gewisses Maß an Reduktion legt, dürfte hier fündig werden.
Disclaimer: Der Polestar 3 wurde uns für diesen Testbericht kostenfrei für den Zeitraum von zwei Wochen von Polestar zur Verfügung gestellt. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.
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