
Mit Xpeng zum Nordkap – elektrisch durch Skandinavien
- Kommentare deaktiviert für Mit Xpeng zum Nordkap – elektrisch durch Skandinavien
- Allgemein
In etwa so muss wohl der Weg ins Paradies sein: Jedenfalls dann, wenn man elektrisch unterwegs ist. Ein Roadtrip Richtung Nordkap und zurück. Am Start: Xpeng-Modelle vom Typ G6 und G9. Moderne 800-Volt-Technik auf Tour durch das weitgerühmte Ladenetz Skandinaviens beim dort üblichen Tempolimit. Batteriefahrer-Herz, was willst du mehr?
Da wäre in der Tat einiges. Aber, Achtung Spoiler: An den Autos liegt es kein bisschen. Zu keiner Zeit des Tausende-Kilometer-Trips gibt es an ihnen etwas zu mäkeln. Anders als am Wetter, das zumindest auf der zweitägigen Etappe vom nordnorwegischen Alta in die schwedische Hauptstadt Stockholm durchgängig Nebel und Regen im Angebot hat. Andererseits dümpeln in der Folge die Temperaturen im ein- bis knapp zweistelligen Bereich – und damit weit unterhalb des Verdachts wohliger Batterie-Wärme. Von einem Heimspiel für Xpeng also keine Rede.
Eher schon soll das große Kilometerfressen – später im Jahr folgt noch der südliche Abstecher Richtung Portugals Küste – die Marke auch in Deutschland bekannter machen. Gerade mal vier Jahre nach dem Start im europäischen E-Auto-Mutterland Norwegen und mit Ablegern in Schweden, Dänemark und den Niederlanden hat der erst 2014 gegründete chinesische Hersteller 2024 den großen Strom-Schlag im Land des unbegrenzten Fahrens gewagt. Mit kleiner Modellpalette, aber großen Ambitionen. Noch setzt die Marke aus dem Reich der Mitte mit drei Baureihen in Deutschland nur etwa 3500 Fahrzeuge ab. Bis Ende 2027 allerdings soll sich dieser Wert mehr als vervierfachen. Immer im Blick von Unternehmensgründer Xiaopeng: der selbst erwählte Konkurrent Tesla.
Dem und allen anderen will Xpeng deshalb vorrangig mit einer zukunftsgerichteten Software-Architektur kommen, aber eben auch mit schickem Blech, ordentlich Power – und einem klassischen Vertrieb. „Händler mit langer Markterfahrung sollen das Gesicht unserer Marke sein“, hatte Deutschland-Chef Markus Schrick einst gesagt. Der Mann ist nicht erst seit seiner Zeit bei Hyundai ein Kenner fernöstlicher Gepflogenheiten. Was sicherlich hilft. Anders als viele Konkurrenten genießt Xpeng nämlich nicht die Privilegien eines chinesischen Staatskonzerns, sondern muss sich als Aktiengesellschaft an den Börsen von Hongkong und New York behaupten.
Das zum Auftakt durchaus grobmaschige Händlernetz hierzulande ist mittlerweile auf 35 Standorte gewachsen, bis Jahresende sollen es 60 sein. Auch auf dem für Start-ups eher schwierigen Terrain der Ersatzteilversorgung will sich Xpeng mit einem eigenen Deutschland-Lager stark aufstellen. Und wer bei China und Qualität immer noch ein bisschen Bedenken trägt: Xpeng gewährt sieben Jahre Garantie (maximal 160.000 Kilometer) auf das Auto und acht Jahre auf die Batterie.
Xpeng G6 und G9 im skandinavischen Alltagstest
Für das Abenteuer Nordkap haben sie schick was auf die Federbeine gestellt: zweimal das SUV-Flaggschiff G9 und einmal das etwas kleinere Coupé-SUV G6. Ersteres knapp fünf Meter lang, wuchtig und mit jeder Menge Platz unter der sensationell großen Überkopfverglasung; zweiteres zwar ebenfalls mit breitschultrigem Heck, aber 15 Zentimeter kürzer, geduckter und fast schon sportlich. Beide mit großem Akku und einem offiziellen Radius von 570 Kilometern.
Und sie fahren sich, wie man es von einem potenten E-Auto erwarten darf. Der G6 agil und ausreichend straff, der G9 souverän, aber eben nicht wirklich leichtfüßig. Gewicht drängt bei zügiger Bogenfahrt selbst auf 21-Zöllern unwiderstehlich Richtung Tangente. Besser man ergibt sich den gut konturierten Sitzen, die im G9 auf Wunsch sogar massieren, und genießt selbst die ganz lange Fahrt bestens gedämmt gegen all den Lärm von draußen.
Gegen den von innen muss man gezielt vorgehen. Die geballte Assistenz würde sonst für ordentlich Bohei sorgen. Aus allen Richtungen piepst, bimmelt und warnt es. Und das schon, wenn man nur kurz gähnt oder irgendeiner Linie einen winzigen Hauch zu nahekommt. Fünf Sterne beim NCAP-Test können manchmal auch ein Fluch sein. Immerhin gibt’s ab Werk nahezu Vollausstattung mit LED-Licht, Parkassistent mit 360-Grad-Kamera, Navi, sensorgesteuerter Heckklappe, Klimaautomatik und und und…
Klar könnte man mit den bis zu 550 PS allerlei hübsche Sachen anstellen. Sprint auf Tempo 100 in vier Sekunden etwa oder – in Skandinavien allerdings kein bisschen zu empfehlende – 200-km/h-Passagen, für die lange Strecke indes bleibt der Eco-Modus treuer Begleiter. Denn was steht in Buch eins der Batterie-Bibel? Richtig: Dynamik kostet Distanz. Im Hinblick auf Disziplin helfen allenthalben blaue Schilder, die vor dem nächsten Blitzer warnen. In manchen Regionen stehen sie gefühlt nach jedem dicken Baum. Also rein mit dem intelligenten Tempomaten und sich an der Landschaft freuen. Den Weg zur nächsten Säule weist ohnehin das Navi.
Schnellladen klappt – meistens
Und ja, irgendwann ist der Saft eben alle. Und weil vorerst keiner Lust auf Risiko hat, geht’s nach gut 350 Kilometern an den Stecker. Der G9 zieht am Schnelllader mit 300 kW, der G6 kommt auf 280. Heißt: Von zehn auf 80 Prozent vergehen gerade mal 20 Minuten. So viel an Pause sollte ohnehin drin sein. Nicht, dass der Aufmerksamkeitsassistent wieder meckert.
Doch die Nummer hat auch ihre Schattenseiten. Selbst in Skandinavien gibt es nämlich höchst unterschiedliche Regionen. Während sich für Norwegen und Schweden reichlich Power-Charger finden, hat die Karte in Finnland weiße Flecken zuhauf. Da will die Route deutlich exakter geplant sein – oder man pokert ein wenig mit der Restreichweite. Auch sonst auf der Nordkap-Tour finden sich Skeptiker des Öfteren bestätigt. Nicht jede angezeigte Säule ist bei Ankunft auch tatsächlich frei, eigentlich kompatible Karten verweigern gelegentlich den Dienst – und wo 300 kW draufsteht, sind gerne mal nur 60 kW drin. Und ja, ab und an ein kleines Dächlein über dem Lader wäre nicht die schlechteste aller Ideen.
Ladeinfrastruktur bleibt eine Schwachstelle
Am Ende Kleinigkeiten, zugegeben. Was einem den Spaß an der E-Mobilität aber wirklich verleiden kann, ist der Wirrwarr aus Anbietern und Tarifen, dem die Politik offenkundig europaweit keinen Einhalt gebieten kann oder will. Vollmundige Marketing-Versprechen, man könne fast überall auch mit Kreditkarte zahlen, stimmen meist nur insoweit, als man deren Nummer zuvor aufwendig samt anderen Daten in die jeweilige App des Betreibers einpflegen muss. Gefühlt an jeder Säule aufs Neue.
Man stelle sich vor, bei Shell gälten andere Regeln als bei Aral oder Esso – und in Bayern nochmal ganz andere als in Sachsen-Anhalt oder Bremen. Hinfahren, auf den Preis schauen und laden – das wär’s…
So bleibt am Ende von gut 1500 Kilometern in zwei Tagen die Erkenntnis, dass selbst ein Mammuttrip auf Strom bei halbwegs ordentlicher Planung technisch keinerlei Hindernis bedeutet – und doch an den Nerven zehren kann. Die Hersteller jedenfalls haben ihre Hausaufgaben gemacht, und im Falle Xpeng kommt man bei nicht allzu forscher Fahrweise dem WLTP-Verbrauch auch extrem nahe.
Was dann eben auch eine lockere 909-Kilometer-Etappe mit nur zwei Stopps ermöglicht, die die Länge eines mehr oder weniger gepflegten Käffchens nur unwesentlich übersteigen. Viel mehr Strecke schafft man an einem Tag auch mit Sprit nicht.
Der Beitrag Mit Xpeng zum Nordkap – elektrisch durch Skandinavien erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.